Werbefloskeln waren gestern. Der Trend geht zu emotionalen Geschichten rund um Marken und Produkte, in denen nur sehr subtil geworben wird. Voraussetzung: Sehr gute Kenntnisse über die Zielgruppe. Mit Authentizität und Originalität ermöglicht Storytelling langfristige Kundenbindung und ein starkes Markenprofil, das sich von der Konkurrenz absetzt.
Just Do It. Stratosphärensprung. Normale Frauen statt Models in Werbeclips. Fremde Menschen, die sich das erste Mal küssen.
All dies sind Plots von erfolgreichen Storytelling Kampagnen verschiedener Unternehmen, die zwar nicht mehr zum Mittelstand gehören, aber das Storytelling Konzept offenlegen.
Viele von euch werden es längst erkannt haben: Es handelt sich um Nike, Red Bull, Dove und Wren. Im Rahmen des Content Marketings helfen diese Geschichten, die Marke mit Emotionen zu versehen und bieten ihrer Zielgruppe einen Anreiz, sich mit den Produkten des Unternehmens zu identifizieren. Diese Brands produzieren ganz unterschiedliche Waren, aber trotzdem haben sie alle ein erfolgreiches Storytelling Konzept entwickelt.
Die Geschichten sind auf den Punkt gebracht, denn sie vermitteln eine klare Botschaft: „Fühl dich wohl in deinem Körper“ oder „wachse über dich hinaus“. Gleichzeitig bieten sie den Kunden Projektionsfläche für ihre eigenen Interpretationen. Zwischen den drei prägnanten Wörtern „Just Do It“ von Nike steckt genügend Platz, um unsere eigene Geschichte zu erzählen, wie wir den inneren Schweinhund besiegt haben.
Geschichten von Unternehmen wirken, wenn sie spannend sind und klare Helden haben, wie der berühmte Sprung von Felix Baumgartner für Red Bull. Oder wenn wir uns mit den Helden identifizieren können, wie in der Kampagne von Dove. Die Modemarke Wren spielt in dem Videoclip, wie Fremde sich küssen, mit unseren Emotionen – und sorgt dafür, dass wir das überraschte Gefühl künftig noch lange mit der Marke verbinden werden.
Bis auf den Stratosphärensprung von Red Bull haben die Storytelling Konzepte der Unternehmen noch eins gemeinsam: Sie sind nicht zu Ende erzählt, sondern zeigen nur einen Ausschnitt. Wer sind die Menschen in dem Video? Kann ich vielleicht genau das gleiche Erleben, wenn ich die Kleidung der Marke Wren trage?
Genau wie andere Werbestrategien, hat auch das Storytelling klare Unternehmensziele.
Nicht jede Geschichte wirkt für jedes Unternehmen gleich gut. Sie muss zu der Zielgruppe und der Corporate Identity des Unternehmens passen.
Dazu muss zunächst ermittelt werden, worin die Interessen der Zielgruppe liegen und welche Themen sich für Geschichten eignen, mit deren Protagonisten sich die Zielgruppe identifizieren kann. Auch der Lifestyle und der gewohnte Sprachgebrauch der Zielgruppe sind wichtig zu kennen. Werden Anglizismen verwendet oder Dialekt gesprochen?
Parallel dazu muss das Unternehmen überlegen, welche Inhalte es bieten kann. Ein mittelständisches Unternehmen hat nicht das Budget, um einen Stratosphärensprung zu finanzieren, aber Videoproduktionen sind nicht teuer.
Für Storytelling Konzepte kommen Themen in Frage, die sich mit dem Zielgruppeninteresse und dem unternehmerischem Selbstbild überschneiden. Außerdem sollten die Themen Möglichkeiten zum Dialog und zur Interaktion mit den Kunden bieten.
Die Geschichte muss nach diesen Leitfragen konzipiert sein:
Oftmals ist die richtige Geschichte schon da und muss nur noch entdeckt werden. Für kleine und mittelständische Unternehmen ist die Beauftragung einer Werbeagentur jedoch meist mit hohen Kosten verbunden.
Die Mitarbeiter einer Firma kennen die eigenen Produkte und ihre Vorteile gut. Schließlich haben sie diese mitentwickelt. Beim gemeinsamen Brainstorming über Ansätze, wie mit der Marke eine Geschichte erzählt werden kann, kann das Grundrezept für die spätere Storytelling Kampagne hingegen selbst erarbeitet werden.
Eine weitere Methode, um die passenden Geschichten zu finden, ist einen kurzen, anekdotenhaften Abriss über das Unternehmen zu verfassen. Hier finden sich oft Anknüpfungspunkte, die zu einer Geschichte ausgebaut werden können.
Stehen mehrere Ansätze zur Auswahl, muss analytisch vorgegangen werden. Welche Story lässt sich besser
Achtung: Die Authentizität der Geschichte ist ihr Trumpf. Der Shitstorm, der auf Wren einging, als herauskam, dass die Personen im viralen Video keine Fremden von der Straße waren, sondern Schauspieler, war groß. Kommen in der Story mit der Marke Mitarbeiter zu Wort, müssen auch die wirklichen Mitarbeiter zu sehen oder hören sein. Vorbild ist hier die „We kehr for you“ Kampagne der Berliner Verkehrsbetriebe, die humorvolle Denglisch Wortspiele und Portraits der Mitarbeiter plakatierte.
Wie in der klassischen Dramentheorie sollte der Plot der Geschichte aus Einleitung, Hauptteil und Schluss bestehen. Die Einleitung erfolgt mit visuellen Reizen und konkretem Wording, die den Rahmen für die Erzählperspektive bilden. Nespresso vermarktete seine Sonderedition als eine Reise ins alte Indien. Die Einleitung der Geschichte besteht somit aus Bildern von rauer See, einem robusten Holzschiff und einem Kompass. Dazu kurze Sätze mit ausdrucksstarken Wörtern, wie Reise, Monsoonwind, Indien, Küste, salzig und Segelschiffe.
Der Hauptteil der Geschichte findet hier im Kopf der Leser statt. Der Text setzt die Fantasie des Lesers in Bewegung und macht so den potenziellen Kunden selber zum Helden einer Reise nach Indien.
Die kleine Abbildung des neuen Espressos sorgt dafür, dass der Betrachter seine gerade erlebte Reise mit dem Kaffee in Verbindung bringt und das Produkt mit Attributen, wie Abenteuerlust und Urlaub verbindet.
Da der Held der Leser selbst ist, kann er sich die Geschichte einfach merken. In der Story geht es darum, ein fremdes Land zu bereisen, also Neues zu entdecken. Das gleiche Motiv gilt für das Produkt: Die neue Sonderedition muss vom Kunden erst noch entdeckt werden. Hier ist die Überleitung also bestens gelungen.
Storytelling ist das geeignetste Mittel zur Kundenbindung und die Basis für ein starkes Markenprofil – auch für kleine und mittelständische Unternehmen. Voraussetzung ist eine gute Kenntnis der Zielgruppe und der eigenen Unternehmenskultur, sowie die Alleinstellungsmerkmale der Produkte.
Die richtige Geschichte findet sich meist im Unternehmensumfeld und muss gar nicht erst ausgedacht werden. Zentral: Im Mittelpunkt der Story stehen Personen und Emotionen, die Marke kommt nur am Rande vor. Die Geschichte muss nicht zu Ende erzählt werden. Besser ist es, den Kunden Platz für eigene Interpretationen und Identifikation mit dem Helden zu ermöglichen.
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