Selbständige haben nur selten frei, eigentlich gar nicht. Zumindest ist der Kopf immer an und arbeitet. Auf der anderen Seite wollen der eigene Körper und die Familie auch regelmäßig eine Auszeit vom stressigen Alltag. Urlaub. Doch eigentlich ist dafür zu selten Zeit und Budget vorhanden. In diesem Beitrag möchte ich daher die Hypothese aufstellen, wie Arbeiten im Urlaub die Lösung des Problems sein könnte.
Ich persönlich habe schon lange keinen "richtigen" Urlaub mehr gemacht. Seit über 8 Jahren bin ich selbstständig, seit knapp 2 Jahren bin ich Digitaler Nomade. Ich habe meinen Lifestyle so angepasst, dass Urlaub nicht mehr erforderlich ist. Denn jeder Tag ist irgendwie Urlaub. Ich lebe an den schönsten Orten der Welt und bin nur noch wenige Wochen im Jahr in Deutschland. Gleichzeit arbeite ich vermutlich mehr und intensiver, als ich es damals noch beim "9 to 5" Job gemacht habe.
Zugegeben, das ist eine Extremform und auch nicht für jedermann das richtig Modell (eines meiner Learnings aus 2 Jahren ohne zu Hause). Für mich, bzw. meine Frau und mich, ist es aber das perfekte Work-Life-Balance-Modell, das wir nun intensiv und dauerhaft leben. Ich denke, dass zumindest eine abgewandelte Form von diesem Lifestyle auch für einen durchschnittlichen Urlaub-Nehmer seine Vorteile hat. Denn ich bin davon überzeugt, dass Arbeit und Urlaub gut zusammen passen und unterm Strich bessere Ergebnisse für Geist, Körper und die Arbeit bringen. Die einzige Voraussetzung ist räumliche Flexibilität zu schaffen, den richtigen Ort zu finden und ein Ticket zu buchen.
Die Idee kommt nicht von Irgendwoher. Ich selbst habe über arbeiten im Urlaub erstmals nachgedacht, als der Urlaub für uns nicht mehr ausgereicht hat. Und im Nachhinein wird mir auch klar warum.
Das Problem an einem durchschnittlichen 10 Tage Urlaub ist, dass als Selbstständiger vom eigentlichen Urlaub viel zu wenig Zeit für die Erholung übrig bleibt. Und der Stress beginnt schon viel früher. So sah ein Urlaub bei mir früher aus:
Wohin soll die Reise gehen? Die Samstage und Sonntage verbrachten wir am Computer und suchten Flugsuchmaschinen und Hotels/Airbnbs ab. Ich weiss nicht mehr genau wie lange das gedauert hat, aber es ging auf jeden Fall nicht innerhalb eines Nachmittags.
Der Packstress beginnt. Reiseapotheke auffüllen und ggf. noch die passenden Klamotten kaufen. Schonmal anfangen, alles zurecht zu legen und in Koffer zu packen.
Fahrt zum Flughafen, warten, warten, checkin, warten... nervige Menschen im Flugzeug. Endlich das erste Bier. Nach der Ankunft zum Mietwagen-Schalter und anschliessend in die Bude fahren. Geschafft, der Urlaub beginnt.
"Ständig bist du am Handy" höre ich. Zurecht, denn ich habe Angst etwas zu verpassen oder dass das Business den Bach runtergeht. Die meisten Dinge sind tatsächlich unwichtig, aber ich bin konditioniert alle 20 Minuten meine E-Mails abzurufen, mindestens alle 60 Minuten meinen Facebook Account zu checken und mindestens einmal am Tag meinen Mitgründer anzurufen. Als ich mit Surfen begann, hatte das übrigens den positiven Effekt mal wirklich 3 Stunden ohne Handy und Internet zu sein.
Ich habe Muskelkater (vom Surfen) und nutze die Zeit, um nochmal die wichtigsten Mails zu beantworten ;-)
Urlaub.
Die Zeit ging sooo schnell rum. Wie doof. Schon am Vortrag verlassen wir mental den Urlaubsstatus, denn packen und der Online Checkin stehen auf der Tagesplanung. Abends nochmal lecker essen gehen. Das war´s! 2000€ weg, dafür habe ich mich 4 Tage echt gut erholt.
Ich habe zwar zwischendurch immer mal wieder ein paar Dinge erledigt, aber irgendwie liegt jetzt doch mehr auf dem Schreibtisch als erwartet. Ich brauche den kompletten Tag um wieder in den Alltag zu finden.
Der Alltag hat mich wieder. Ich bin Urlaubsreif! ;-(
Diese Zusammenfassung verläuft sicher für jeden individuell und auch nicht immer gleich. Ich möchte damit jedoch zeigen, dass vom eigentlich Urlaub garnicht so viel Zeit für Erholung übrig bleibt. Irgendwann fragte ich mich, was eigentlich Urlaub ist. Ist das als Selbstständiger überhaupt möglich?
Sich Selbstständig machen hat häufig die negative Konnotation "selbst und ständig". Ich denke aber, dass der gestalterische Aspekt hier von den wenigsten gesehen wird. Es könnte auch heißen:
Ich kann selbst entscheiden wo ich arbeiten und das ständig machen, wann immer ich will.
Der Job muss das natürlich zulassen, aber auch Offline-Unternehmer können gestalten. Vielleicht gibt es auch in einem Handwerksbetrieb kreative Aufgaben abseits von Kundenbesuchen. Für Online Unternehmer ist das auf jeden Fall einfacher.
Ist diese fachlich berufliche Basis gelegt und die räumliche Freiheit damit (auf Zeit) eingerichtet, steht dem "besseren Urlaub" nichts mehr im Wege.
Statt des 2-Wochen-Urlaubskonzeptes (s. oben), möchte ich an dieser Stelle das "4 Wochen alle 3 Monate"-Konzept vorstellen.
Es können auch 4 Wochen alle 6 Monate sein, oder 6 Wochen alle 3 Monate. Oder 6 Monate alle 12 Monate. Der Punkt ist, dass die "Urlaubszeit" viel länger ist als es die durchschnittlichen 30 Urlaubstage im Jahr erlauben. Damit der Plan aufgeht, ist Arbeiten im Urlaub allerdings Pflicht!
Arbeiten im Coworking Space auf Bali
Vielleicht trifft es "After-Work-Urlaub" oder "Workation" besser. Egal, wie das Kind heisst, dahinter steckt, dass wir die Zeit vor und nach der Arbeit im deutschen Arbeitsalltag meist nicht ausreichend und bewusst genug genießen und deshalb mehr Zeit vor Ort benötigen, um
Der Alltag liegt irgendwann schwer auf den Schultern und zieht uns Menschen herunter. Wir fangen an uns nach Abwechslung zu sehnen und buchen dafür irgendwann Urlaub. Der kostet viel Geld und verursacht teilweise Zusatzstress (Buchen, Packen, Sorge, dass alles läuft).
Wenn ich jedoch für ein paar Stunden an einem Ort arbeite, der in einer mir fremden Umgebung stattfindet, dann werde ich automatisch neugierig. Ganz alltägliche Dinge - wie zum Supermarkt oder ins Restaurant gehen - werden zum Erlebnis. Ein Wow-Gefühl, jeden Tag.
Ich empfehle die Arbeitszeit bei solchen Langzeit-Urlauben auf jeden Fall deutlich zu reduzieren. Maximal 30 Stunden in der Woche, lieber weniger. Vielleicht auch gleich die tägliche Arbeitszeit auf max 3-4 Stunden herunterfahren, denn nur so hast du auch Zeit dein Umfeld zu erleben.
Ist das geschafft, ist nun jeder Tag Urlaub, nach der Arbeit, vielleicht sogar davor. Es ist die Flexibilität, von der wir Selbstständigen und Gründer geträumt haben, bevor wir unser Business aufgebaut haben. Es gibt
Nicht jeder ist für dieses Modell gemacht. Aus meiner Erfahrung erfordert solch ein Langzeit Urlaub neben einem Remote-fähigen Job vor allem
Nach 2 Jahren als Digitaler Nomade und 8 Jahren als Remote Worker habe ich gelernt, worauf es bei der Ortsauswahl ankommt.
Wenn du noch nie länger unterwegs warst oder im Ausland arbeiten möchtest, bietet Nomadlist.com eine sehr gute erste Anlaufstelle. Nomadlist ist eine durch die Crowd erstellte Liste an Orten, die jeweils Kosten, Internet, Spass und Sicherheit als Faktoren zusammenrechnen und daraus eine "Nomadscore" ermitteln. Die Liste ist mittlerweile sehr sehr lang und kannst nach allem möglichen filtern.
Ebenfalls empfehlenswert sind Reise-Blogs, um schonmal eine Idee vom Leben in verschiedenen Ländern zu bekommen. Meine Lieblings-Reiseblogs sind:
Ist das Ziel festgelegt, benötigst du Unterkunft und ggf. einen Mietwagen. Das sind neben dem Flug die Haupt-Kostenfaktoren in der Gesamtzusammensetzung des Budgets. Mietwagen finde ich bei billiger-mietwagen.de oder check24.de. Bei der Unterkunft wird es schon komplizierter.
Ich selbst präferiere statt Hotels lieber Airbnb Unterkünfte. Als Tipp empfehle ich nicht nach Tagespreisen zu suchen, sondern nach Monatspreisen. Airbnb bietet diese Rabatte sogar als Filter an. Darüber hinaus gibt es auch mittlerweile einen Filter für Geschäftsreisen.
Wenn du noch nicht bei Airbnb angemeldet bist, bekommst du hier 25€ Guthaben von mir (Referral-Link).
Tipp: Frag vor der Buchung immer, ob es schnelles Internet gibt. Ich selbst sage den Gastgebern immer, was ich vor habe. Ich achte auf (ruhige) Arbeitsplätze, Internet und natürlich auf ausreichend Platz, sodass wir auch zu zweit in Ruhe produktiv sein können.
Falls du im Team reist oder Airbnb nichts für euch ist, kannst du auch organisierte Komplettpakete buchen wie z.B. The Surfoffice. Wie der Name schon sagt steht hier Surfen im Vordergrund, aber organisierte Workations gibt es viele. Einfach mal googeln.
Als Surfer ist Byron Bay einer meiner Favoriten. Byron Bay ist der Inbegriff vom süßen Hipster-Leben am Meer mit perfekten Wellen das ganze Jahr. Ohne Langzeit-Option wäre Australien auch viel zu teuer. Mit Langzeit Airbnbs haben wir hier für ca. 1500€ / Monat eine tolle Bude 20 Minuten ausserhalb von Byron Bay gefunden. Wer nicht so viel in Restaurants geht und auf Tabak und Alkohol verzichten kann, für den wird Australien "normal teuer auf Hamburger Niveau". Wissenswert ist, dass Mietwagen hier relativ günstig sind (im Vergleich z.B. Kanada und Neuseeland)
Statt Urlaub: Mit dem ganzen Team reisen (Z.B. Surfoffice)
Der Klassiker für Digitale Nomaden, möchte man fast sagen. Ich selbst war allerdings noch niemals in Thailand. Man kann dort einfach nicht wirklich surfen ;-)
Thailand und besonders Chiang Mai sind aber bekannt für die günstigen Housing und Lebenshaltungskosten bei gleichzeit sehr guter Infrastruktur.
Laut Airbnb liegt der Durchschnittpreis pro Nacht dort bei 43€.
Lissabon ist eine wunderbare Stadt, die allerdings im Sommer etwas von Touristen überrannt wird. Das Leben hier ist im Vergleich zu Deutschland günstig und der Wow-Faktor sehr hoch.
Es gibt netten Bars, Restaurants und Strände direkt vor der Haustüre. Ich selbst habe mittlerweile sogar eine Stunde nördlich von Lissabon mir ein Häuschen eingerichtet (weil man hier surfen kann). In der Zeit, wo ich selbst reise, können andere Langzeit-Urlauber hier gerne arbeiten (und surfen).
Bali ist ebenfalls auf meiner Liste und besonders wegen der westlichen Kultur ein perfektes Land für Asien Einsteiger. Denn eigentlich fühlt sich Bali mittlerweile mehr Deutsch oder Australisch an. Zum Surfen würde ich die Insel zwar nicht mehr empfehlen, aber wer gerne Yoga macht, schnelles Internet möchte und Australisch/Indonesische Küche zu verhältnismäßig günstigen Lebenshaltungskosten sucht, der ist hier genau richtig.
Egal ob Bali, Australien, Österreich oder Mallorca. Ich finde es persönlich erstrebenswert einen zumindest temporäre Flexibilität einzurichten und die Gelegenheit woanders zu arbeiten zu nutzen.
Ich möchte diese Erfahrung nicht missen und jeden selbstständigen motivieren es einfach mal auszuprobieren.
Vielleicht gefällt es dir irgendwann irgendwo auch so gut, dass du selbst dort eine zweite Homebase aufbauen willst. Ich selbst habe das z.B. in Portugal gemacht und hier meine Kalkulation dazu aufgeschrieben.
Und jetzt du! Wenn du frei entscheiden kannst, wo zieht es dich am ehesten hin?
Du hast eine Idee für einen spannenden Artikel, der echten Mehrwert für Freelancer und Selbstständige bietet?
Was denkst du?